Warum die Sieben in der Kommunikation nicht glorreich ist

Sieben Mal, so lehren es Marketing-Fachleute, ist es nötig jemanden anzustupsen, den man als Kunden gewinnen möchte. Und sie ermutigen Marketing-Neulinge, diese sieben Stupser ihrem inneren Widerstand abzutrotzen: Nein, das sei keine Belästigung, das sind notwendige Impulse, um überhaupt wahrgenommen zu werden und am Ende doch zum Ziel zu kommen – zum Kauf; zum Abschluss, wie der Verkäufer sagt. Sieben Stupser, also sieben Emails, sieben Anrufe, sieben Briefe, Kataloge, Anzeigenzettel – all diese Kommunikation wäre keine Belästigung, selbst, wenn der Angestupste mit „nein“ regiert. Nein gilt schließlich als Kürzel für: noch ein Impuls notwendig.

Sicher, wer nein sagt, meint womöglich nicht „nein, niemals“. Nein kann auch heißen: jetzt nicht. Es ist nicht grundsätzlich fragwürdig, den Neinsager später erneut anzusprechen. Vorausgesetzt, er hat sich das nicht verbeten, er ist überhaupt ein infrage kommender Interessent und der Stupser findet für seine Initiative die angemessene Kommunikation. Aber sieben Mal?

Mir ist nicht bekannt, wie die Zahl sieben erhoben worden ist. Aber denken wir doch einfach mal ein bisschen darauf herum, was sie bedeutet: Von sieben Stupsern wären also sechs vergeblich. Der erste – geschenkt! Man kommt beim Erstkontakt nicht selten ungelegen, überhaupt ist man fremd und wird abgewimmelt. Der Mensch macht Geschäfte gern mit Leuten, die er kennt, von denen er weiß, was ihn erwartet. Als Fremder und Erstkontakter steht man hier vor einer besonderen Hürde.

Vielleicht aber ist der Angesprochene ja auch schlicht der falsche, weil er eben kein Interesse am Angebot des Stupsers hat. Dann wäre jeder weitere Kontakt fragwürdig und jede noch so gekonnte Kommunikation vergebliche Liebesmüh. Wer das als Stupser rasch begreift, kann sich weitere Versuche sparen. Wer hingegen fleißig seinen Job macht und die sieben angeblich akzeptablen Impulse stur abarbeitet, der sollte besser darüber nachdenken, ob er sich wirklich um den Richtigen bemüht, und ob er sich richtig um ihn bemüht. Ob also die Kommunikation stimmt: Spule ich – wie in vielen Call-Centern – ein auswendig gelerntes oder abgelesenes Gesprächsmuster ab, oder interessiert es mich wirklich, ob der Angestupste mein Angebot braucht?

Hier unterscheidet sich Einbahnstraßenkommunikation von einem ehrlichen Austausch. In der Einbahnstraße redet der Stupser wie ein Dauerregen und gibt das Wort nur formal kurz ab, etwa mit einer Standardfrage aus dem Verkäuferlehrbuch: „Ist das für Sie bis hierher interessant?“. Echtes Interesse erkennt man am Gegenverkehr: Der Angestupste wird nicht zu Kann-man-ja-nur-Jas getrickst, sondern er ist willkommen mit allem, was er ins Gespräch einbringt. Und wenn sich dabei zeigt, dass es nichts wird mit dem Stups, dann hat der Stupser was dazugelernt. Entweder muss er seine Ansprechpartner anders auswählen oder seine Worte.

Spätestens der dritte Impuls ist unter Kommunikationsaspekten also fragwürdig. Nun muss die Sieben ja irgendwie zustande gekommen sein. Vermutlich hat jemand mal gezählt, wie oft er jemanden kontaktieren musste, bis der Angestupste gekauft hat. Und dabei ist er auf die magische Sieben gekommen.

Streng genommen bestimmt sie ihrem Urheber aber nur: Sieben Versuche waren nötig bei meiner Auswahl der Ansprechpartner, bei meinem Angebot, bei meiner Art von Kommunikation.

Geht der Angestupste beim siebten Mal auf das Angebot ein, muss das nicht heißen, dass es ihn überzeugt hat. Vielleicht hofft er einfach, den lästigen Stupser endlich loszuwerden. Die Sieben ist also auch ein Maß für Langmut, Entscheidungsfreude, Durchsetzungsvermögen und Kommunikationskompetenz des Angestupsten.

Auf keinen Fall ist diese Sieben aber magisch oder ein Naturgesetz der Kommunikation. Mir sind sieben Mal auf jeden Fall zu viel! Ich bin weder bereit, mich so oft beackern zu lassen, noch bin ich bereit, dies bei anderen zu versuchen. Ich liebe Kommunikation, die spätestens beim zweiten Anlauf die Fronten klärt.

Das heißt für mich, Klarheit darüber, ob der Angesprochene für mein Anliegen oder Angebot wirklich infrage kommt. Dazu brauche ich das Vertrauen des Gegenübers, muss ihn oder sie mit ehrlichem Interesse befragen und viel zuhören.

Wem beim Verkaufsgespräch innerlich ein Rumkriegen des potenziellen Kunden vorschwebt, wer lediglich Kommunikationsmuster abarbeitet oder sich etwa per Email hartnäckig mit immer ähnlichen Werbeparolen in Erinnerung bringt, der kommuniziert gefährlich: Rumkriegenwollen und Beackerungsmaschen erzeugen Misstrauen, Dauerfeuer führt meist zum Kommunikationsabbruch und bei Emails in den Spam-Ordner. Bedauerlicherweise ist dort auch Platz für mehr als sieben Emails erforderlich...

...findet der Kommunikationsphilosoph

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Kommentare: 1
  • #1

    Maria Mall (Dienstag, 18 Mai 2021 14:38)

    Jemanden gegen seinen Willen weiterhin zu kontaktieren nennt man zu Recht Stalking.